Im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 haben die Betriebsschließungsversicherer den betroffenen Unternehmen, wie Hotels, Restaurants, Bars etc ein Kulanzangebot unterbreitet. Bei der sog. „bayrischen Lösung“ wurde den Versicherungsnehmer mitgeteilt, dass die Betriebsschließungsversicherung nicht zur Leistung verpflichtet sei. Hierzu wurden mehrere Gründe aufgeführt. Im Anschluss wurde dem Versicherungsnehmer allerdings eine Kulanzleistung von der Hälfte des Schadens angeboten. Dies natürlich vollkommen selbstlos zur Unterstützung der betroffenen Unternehmen. Dem Versicherungsnehmer wurde vorgerechnet, dass durch den Lockdown lediglich ein Schaden in Höhe von 30 % eintreten würde. Dies wurde mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld und den Soforthilfemaßnahmen der Länder begründet. Da der Schaden also lediglich 30 % der mit dem Versicherer vereinbarten Leistung betreffe, würde die Versicherung aus Kulanz die Hälfte des Schadens übernehmen und dem Versicherungsnehmer 15 % der vereinbarten Tagesentschädigung auszahlen.
Diese auf den ersten Blick „noble Geste“ der Versicherer, den Schaden in Höhe von 50 % zu tragen, haben ein Vielzahl von Versicherungsnehmern zum Anlass genommen, dieses Angebot anzunehmen. In dem Vergleichsangebot war jedoch regelmäßig enthalten, dass mit dem Zustandekommen des Vergleiches alle weiteren Ansprüche, auch für zukünftige Betriebsschließungen, im Zusammenhang mit dem Auftreten des Corona-Virus (Covid-19) endgültig abgegolten sind. Wer eine solche Vereinbarung unterzeichnet hat, soll also auch keine Ansprüche mehr aus der zweiten angeordneten Betriebsschließung im November 2020 stellen können. Aber ist das zutreffend?
Nach diesseitiger Auffassung dürfte sich der Versicherer in einer Vielzahl von Fällen, in denen die „bayrische Lösung“ angenommen wurde, aufgrund von Treu und Glaube nicht auf diese Vereinbarung berufen können. In der Folge bestünde also auch für den zweiten „Lockdown“ ein Anspruch aus der Betriebsschließungsversicherung.
Der Versicherer hat bewusst vorgerechnet, dass der Schaden nur bei maximal 30 % liege. Kurzarbeitergeld ist allerdings ein Anspruch der Arbeitnehmer und kann daher nicht auf die Versicherungsleistung angerechnet werden. Auch etwaige Soforthilfen sind nicht ohne weiteres auf den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag anzurechnen. Natürlich kommt es hier auf den Inhalt der jeweiligen Versicherungsbedingungen an, aber die Aussage des Versicherers, der Schaden würde maximal 30 % betragen, kann nur den Hintergrund gehabt haben, den Versicherungsnehmer zum Anschluss des Vergleiches zu bewegen. Hätte der Versicherer auf die Berechnung verzichtet und lediglich 15 % der vereinbarten Versicherungsleistung angeboten, so wären sicherlich nur eine geringe Zahl der Betroffenen bereit gewesen, einen solchen Vergleich zu schließen. Die Versicherung hat den Schaden also bewusst „klein gerechnet“. Aber warum ist das wichtig?
Es existiert eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007, Az.: IV ZR 244/03, in der von dem Bundesgerichtshof ausgeführt wird, dass sich der Versicherer auf eine Vereinbarung über die Leistungspflicht nach dem behaupteten Eintritt des Versicherungsfalles, die die Rechtsposition desVersicherungsnehmers einschränkt, dann nicht berufen kann, wenn der Versicherungsnehmer nicht deutlich darauf hingewiesen wurde, wie sich seine Rechtsposition darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung eingeschränkt wird.
Die Entscheidung ist zwar zur Berufsunfähigkeitsversicherung ergangen, zeigt allerdings deutliche Parallelen zu der großflächig angebotenen „bayrischen Lösung“. So führt der BGH aus, dass eine interessengerechte Vereinbarung über die Leistung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ein „lauteres und vertrauensvolles“ Zusammenwirken erfordert, das auf ein Ergebnis abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen. Zudem soll ein klarer und unmissverständlicher Hinweis der Versicherung erforderlich sein, wie sich die Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und wie diese eingeschränkt wird.
Die „bayrische Lösung dürfte dem nicht entsprechen“, da dem Versicherungsnehmer in unzutreffender Weise vorgerechnet wurde, dass er ohnehin nur 30 % der vereinbarten Leistung erhalten könne.
Demnach gibt es gute Gründe, dass sich die Versicherer auf die abgeschlossenen Vergleiche nicht berufen können. Grundsätzlich kann dem Versicherungsnehmer aus der Betriebsschließungsversicherung also ein Anspruch zustehen, auch wenn die „bayrische Lösung“ angenommen wurde. Selbstverständlich sind hierbei die Versicherungsbedingungen im Einzelfall zu prüfen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Versicherer auch gegen § 1a VVG verstoßen haben dürften, so dass ein entsprechender Schadensersatzanspruch der Betroffenen bestehen kann.
Zögern Sie nicht und lassen Sie Ihre Ansprüche überprüfen, auch wenn Sie im Frühjahr das Angebot von 15 % der Versicherung angenommen haben. Vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgespräch.
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