Anfechtung des Versicherungsvertrages


13.11.2020



Wenn der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, kommt es häufig dazu, dass der Versicherer die Anfechtung des Versicherungsvertrages (§ 22 VVG) erklärt. Hierin steckt der Vorwurf, dass der Versicherungsnehmer den Versicherer bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht und damit bei dem Versicherer einen Irrtum erregt habe. Ohne diesen Irrtum hätte der Versicherer den Vertrag nicht angenommen.



Warum wird die Anfechtung erklärt?

Durch die Anfechtung wird der Vertrag von Anfang an nichtig. Es ist also so, als hätte der Versicherungsvertrag niemals bestanden. Die Versicherung muss damit keinerlei Leistung erbringen. Allerdings darf die Versicherung zusätzlich alle Versicherungsbeiträge behalten. Diese in § 37 Abs. 1 VVG geregelte Besonderheit des Versicherungsrechtes, kann dazu führen, dass der Versicherungsnehmer über Jahre Versicherungsbeiträge zahlt und diese dann nicht zurück bekommt. Dies ist für die Versicherung natürlich günstig, so dass aus diesem Grunde gern die Anfechtung erklärt wird.

Es soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass die Möglichkeit für den Versicherer, die Anfechtung zu erklären, seine Berechtigung hat. Dem Versicherer ist der Versicherungsnehmer unbekannt und muss anhand der Angeben des Versicherungsnehmers das Risiko des Eintrittes des Versicherungsfalles überprüfen. Wenn der Versicherungsnehmer beispielsweise beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung verschweigt, dass er seit Jahren in psychologischer Behandlung ist und dann nach Abschluss des Vertrages tatsächlich berufsunfähig wird, muss die Versicherung, die in einem solchen Fall getäuscht wurde, sich vom Vertrag und dem Versicherungsnehmer lösen können. Allerdings erfolgt nicht jede Falschangabe bei Abschluss des Versicherungsvertrages arglistig.



Was ist eine arglistige Täuschung?

Die arglistige Täuschung setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer willentlich falsche Angaben macht, dabei auf den Entschluss des Versicherers Einfluss nehmen will und sich dabei bewusst ist, dass der Versicherer den Versicherungsvertrag nicht abschließen wird, wenn der Versicherungsnehmer die Wahrheit sagt.

Hierzu trägt der Versicherer grundsätzlich die Beweislast. Die Versicherung muss also beweisen, dass der Versicherungsnehmer beispielsweise die verschwiegene Krankheit gekannt hat und der Versicherungsnehmer wusste, dass der Versicherer den Vertrag nicht abschließen werde, wenn er die Krankheit angibt. Da es sich hierbei um innere Vorgänge, also um subjektive Elemente, des Versicherungsnehmers handelt, wird dieser Beweis oft durch Indizien geführt.



Wie sieht dies in der Praxis aus?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Versicherungsnehmer beispielsweise zum Hausarzt geht und berichtet, dass er sich derzeit unmotiviert und müde fühle. Daraufhin stellt der Hausarzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus und teilt dem Versicherungsnehmer mit, dass sich dieser dann eine Woche ausruhen möge. Nach 2 Jahren schließt der Versicherungsnehmer dann beispielsweise einen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag ab. Bei Antragstellung wird er nach ärztlichen Behandlungen in den vergangenen 3 Jahren gefragt. An die Arbeitsunfähigkeit von vor 2 Jahren erinnert sich der Versicherungsnehmer nicht mehr und gibt diese auch nicht an. Wiederrum 7 Jahre später wird der Versicherungsnehmer berufsunfähig und beantragt Leistungen. Der Versicherer holt sich daraufhin die Auskünfte bei den Ärzten, die den Versicherungsnehmer in den 3 Jahren vor Antragstellung behandelt haben, ein und prüft, ob der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Nun findet der Versicherer heraus, dass der Versicherungsnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht angegeben hat und sieht, dass der Arzt beispielsweise eine psychische Belastungsstörung als Diagnose in seine Unterlegen geschrieben hat. Nun wird der Vertrag angefochten und dies damit begründet, dass der Versicherungsnehmer die psychische Belastungsstörung bewusst nicht angegeben habe und wusste, dass der Berufsunfähigkeitsvertrag nicht zustande kommt, wenn die Belastungsstörung angegeben würde.

Dass hierin keine arglistige Täuschung zu sehen ist, liegt auf der Hand. Die Versicherung müsste also vorerst beweisen, dass der Arzt dem Versicherungsnehmer mitgeteilt hat, dass er unter einer psychischen Belastungsstörung leide. Zudem müsste der Versicherer wohl auch beweisen, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich unter einer solchen Störung gelitten hat, denn nicht alles, was der Arzt in seine Karteikarte einträgt, ist auch zutreffend.

In der Praxis gibt es also eine Vielzahl von Gründen, die gegen eine arglistige Täuschung sprechen, auch wenn die Indizien auf den ersten Blick eine solche für möglich erscheinen lassen. So ist bei der Antragstellung über einen Versicherungsvertreter ganz entscheidend, wie der Antrag gestellt wurde. Hier stellt sich beispielsweise immer die Frage, ob der Vermittler die Gesundheitsfragen wortwörtlich vorgelesen oder nur in seinen Worten zusammengefasst hat.



In welcher Frist muss die Anfechtung erklärt werden?

Die Anfechtung kann binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt, zu dem die Versicherung von der vermeintlichen arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt, erklärt werden. Nach § 21 Abs. 3 VVG kann die Anfechtung jedoch höchsten 10 Jahre nach Abschluss des Vertrages geltend gemacht werden und dies unabhängig davon, ob dem Versicherer die arglistige Täuschung bekannt war. Bei einem Vertrag, bei dem der Versicherungsnehmer tatsächlich arglistig getäuscht hat, ist die Anfechtung also ausgeschlossen, wenn der Vertrag mindestens 10 Jahre bestanden hat.



Fazit:

Auch wenn bei einer vorvertraglichen Anzeigepflicht häufig die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklärt wird, rechtfertigt die vermeintliche Falschangabe eine Anfechtung nicht immer. Es gibt unzählige Gründe dafür, dass die Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet werden. Wird Ihnen eine arglistige Täuschung vorgeworfen, sollten Sie sich umgehend an einen Fachanwalt für Versicherungsrecht wenden. Bei der Durchsetzung Ihrer Rechte bin ich Ihnen gern behilflich.

Das Erstgespräch ist selbstverständlich kostenfrei.

Kontakt


Nehmen Sie gerne Kontakt auf und vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgespräch.

Jonathan zur Nieden

Rechtsanwalt Fachanwalt für Versicherungsrecht Anschrift: Große Theaterstraße 7 20354 Hamburg
Die abgesendeten Daten werden nur zum Zweck der Bearbeitung Ihres Anliegens verarbeitet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.